Für einen kurzen Moment huscht ein mitleidiger Ausdruck über Samaras Gesicht, während sie sich langsam erhebt. Armer Konzernbubi. Keine gute Rückendeckung, kein Glück.
»Ich werde mich um die Angelegenheit kümmern, Mr. Goyle. Halten Sie noch eine Weile durch, dann werden Sie versorgt.«
Ich frage mich, warum du nicht mal einen DocWagon-Armband besitzt? Ungewöhnlich…
Samaras Blick schweift über den Hinterhof und nimmt das Bild der Verwüstung in sich auf. Pfützen aus Regen und Blut, leere Patronenhülsen, ein Einschlagsloch in der Wand und vier Tote. An einem von ihnen, nur ein paar Schritte entfernt, bleibt ihr Blick für einen Moment haften. Dann blickt sie auf und schaut Liam an, dem das Wasser über das müde Gesicht rinnt. »Folgen wir besser der Spur, solange sie noch existiert. Es sei denn, Ihr wollt noch bleiben, um Eurem Schäfchen zu Eurer linken ein letztes Gebet zu sprechen?«

Während Liam seine Jungs verabschiedet, untersucht Samara kurz die entstellten Körper der beiden Torres-Ganger, die außer ihren Waffen, ein bisschen Kleingeld, billiger Cyberware und neumodischer Drogen, nichts brauchbares bei sich tragen.
Als sie sich gerade wieder aufrichten will, vernimmt sie, durch den langsam abflauenden Regen und die gemurmelten Worte Liams, in der Ferne Sirenengeräusche, gefolgt von einem lauten Krachen und den Geräuschen einer schnell hintereinander abgefeuerten Waffe.
Samara dreht sich zu Liam um und der Priester und die Elfe schauen sich für einen kurzen aber intensiven Augenblick an. Ihre nasse Kleidung klebt ihnen am Leib und beide scheinen stillschweigend zu einem Einverständnis zu kommen. »Okay, lasst uns etwas Licht in das Dunkel bringen. Pater, Ihr sichert uns den Rücken, ich werde versuchen uns näher an Mr. Goyles verlorenes Heiligtum zu bringen.« Mit diesen Worten wendet sich Samara von der schaurigen Szenerie des Hinterhofes ab und geht mit raschen Schritten, ihre Waffe im Anschlag, auf den Hofausgang zu, der auf einer weiteren schummrigen Gasse mündet.

Der Regen wird unsere Spuren verwischen. Denk nach, Magic, ob du noch etwas vergessen hast…
Flüchtig blickt Samara in die menschenleere Gasse, in deren Dunkelheit sie kaum etwas erkennen kann. Sie konzentriert sich und verändert ihre Wahrnehmung. Die Geräusche um sie herum werden dumpfer und die Gasse vor ihr erstreckt sich in ihrer astralen Präsenz. Die Spur aus FABs, die Samara schon zuvor im Hinterhof gesehen hat, schlängelt sich als verblassender farbiger Nebel die Straße hinab. Außer der Aura von Liam, der dicht hinter ihr geht, sind keine anderen Lebewesen aufzuspüren. Dann folgen wir mal der magischen Spur und hoffen, dass sie uns dem Ziel näher bringt.
Samara verfällt in einen zügigen Laufschritt, der sie und Liam nach ein paar hundert Metern und einem dutzend Abzweigungen und stinkenden Gassen später, auf eine breitere Straße mit verlassen wirkenden Wohnhäusern und Läden führt.

Die Leuchtspur, die die FABs im Astralraum hinterlassen haben, wird mit jedem Schritt intensiver, während gleichzeitig das Sirenengeheul verklingt. »Wir sind nicht mehr weit entfernt«, sagt Samara mit einem Schulterblick auf den ihr folgenden Priester. Ich bin ja mal gespannt, was uns erwartet…
Immer noch astral schauend, erblickt Samara in einiger Entfernung, die leuchtende Präsenz einer Gestalt auf einem der Hausdächer. In einem Hauseingang auf der gegenüberliegenden Seite verliert sich die Astralspur. Samara verlangsamt ihre Schritte und fixiert die Szene am anderen Ende der Gasse. Die Gestalt auf dem Dach schwankt, während sie wild mit den Armen gestikuliert. Um die Person herum flimmert die Luft vor magischer Energie, die sie zu kanalisieren versucht. Samaras Blick gleitet vom Hausdach hinunter zur anderen Straßenseite, wo in diesem Moment einer der Luftelementare durch die Wand auf die Straße taumelt, scheinbar unschlüssig in welche Richtung er seinen Weg fortsetzen soll. Mit langsamen Schritten nähren sich Liam und Samara dem Geschehen. Die Gestalt auf dem Dach ist nun deutlicher zu erkennen. Es scheint eine hochgewachsene, schlanke Frau in dunklem Hosenanzug, mit einem Zylinder auf dem Kopf zu sein.
»Ein Mage, der offensichtlich seine eigenen Geschöpfe nicht unter Kontrolle hat«, stellt Samara mit spöttischer Stimme fest. »Und ein alter Bekannter, auf dessen Gesellschaft ich weniger Wert lege. Aber warten wir ab, wie sich die Situation entwickelt.«